Im Gespräch mit Madeleine Stöckert

Madeleine Stöckert Finanzberatung Leipzig Berlin

„Frauen in der Wirtschaft“ heißt nicht nur ein Interessenfeld Claudia Martins, sondern auch eine kleine Reihe von Gesprächen, die sie mit Unternehmerinnen verschiedener Sparten führt. Hierbei geht es um mehr als Frauenpower und Emanzipation. Im Mittelpunkt stehen Gründung, Selbständigkeit, Führung, finanzielle Unabhängigkeit und die Überformung alter Rollenbilder. Dieses Mal im Gespräch: Madeleine Stöckert, selbständige Finanzexpertin aus Leipzig.

CM: Madeleine, vielen Dank, dass du dir die Zeit für das Gespräch nimmst. Im Vorfeld haben wir ja bereits darüber gesprochen, inwiefern wir über Frauen in der Wirtschaft und auch Unternehmerinnen an sich denken. Was mir hierbei durch den Kopf geht: Meinst du, Frauen in Deutschland sind auf einem guten Weg, die Unternehmenswelt nach und nach für sich zu nutzen? — Immerhin war die klassische Selbständigkeit über Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte Männern vorbehalten bzw. ist die berufliche Selbständigkeit der Frau eine „Errungenschaft“, die wir gesamtgesellschaftlich erst mit dem letzten Jahrhundert erleben dürfen.

MS: Zunächst: Sehr gern. (lacht) Ich glaube bzw. ich hoffe, dass Frauen mehr und mehr den Weg in die Selbständigkeit finden. Wir sollten hier einfach mal schauen, wie viele starke Frauen es in Spitzenpositionen gibt wie Angela Merkel oder Sanna Marin aus Finnland. Dazu kommen natürlich Größen wie Oprah Winfrey und Anna Wintour. Das lässt sich ewig fortsetzen. Doch auch vorher sind Frauen immer wieder in die Öffentlichkeit getreten, um dort von sich reden zu machen. Manchmal glaube ich ernsthaft, dass Frauen — und hier möchte ich wirklich nicht gegen unser Geschlecht schießen — den Blickwinkel darauf verlieren, wie viel sie erreichen können und in gewissen Formen auch schon immer konnten.

CM: Du meinst, Frauen standen schon immer Türen wie heute offen?

MS: Nein, das nicht. Weder waren es so viele noch waren die Türen so weit geöffnet. Allerdings gab es wohl immer Möglichkeiten. Die Grundlage jedes Erfolgs lag und liegt im Netzwerk: je größer und stärker, desto besser. Der Punkt ist einfach nur, dass Männer — zumindest scheint es so — aufgrund ihr Möglichkeiten immer besser genetzwerkt haben. Ein Beispiel sind Führungsetagen und Vorstände in Großunternehmen: Männer konnten aus diversen Gründen die Karriereleitern erklimmen und sich entsprechende Posten sichern. Steigen Frauen auf, fehlen ihnen häufig wichtige Kontakte und sie müssen wieder gehen. — Entschuldige wenn ich da jetzt aushole, aber ich glaube das bringt mich noch auf was anderes…

CM: Gar kein Problem.

MS: Die Frauenquote ist so ein Thema, dass Frauen den Weg in Führungsetagen ebnen soll. Der Punkt ist nur, dass wir die Quote gar nicht brauchen. 1. Gibt es unfassbar viele Frauen, die mega erfolgreich sind und anderen Frauen helfen könnten. 2. Selbst wenn meinetwegen ein Vorstand auf einmal eine Frauenquote erfüllt, dann heißt es noch lange nicht, dass die jeweiligen Frauen dort auch entsprechende Netzwerke aufbauen, um erfolgreich zu sein oder zu werden. Was mir immer wieder auffällt, dass Frauen sich gegenseitig das Leben schwer machen, indem sie sich Erfolg neiden. Nehmen wir Handtaschen. Sobald du mit einer Louis Vuitton den Raum betrittst, heißt es nicht: „Oh, chice Tasche! Woher hast du die? Was machst du beruflich?“, sondern „Na, die Tasche hat sie sicher von ihrem Typen geschenkt bekommen!“

CM: Ich glaube auch, dass sich Frauen mehr unterstützen müssen und tragfähige Netzwerke aufbauen sollten. Es gibt viele Menschen, die meinen, dass Frauen nur dann Netzwerke ausbauen können, sobald sie sich in gewissen Bereichen bewegen. Das stimmt allerdings nicht. Ein Beispiel bietet die Politik: Man muss nicht in einen Landtag gewählt werden, um entsprechende Kontakte in diesen zu erhalten. Man kann sich auch einem Kreisverband anschließen, in dem jene Leute ebenfalls aktiv sind und darüber seine Verbindungen entstehen lassen. — Ich glaube, ein Netzwerk muss entstehen, bevor die Karriereleiter anvisiert wird.

MS: Das sehe ich genauso. Bei vielen Partnern, mit denen ich seit Jahren kooperiere, wird dir als Berufseinsteiger ein Netzwerk mitgegeben. Du erhältst Kontakte zu anderen Anfängern, zu Mentoren, Agenturleitern usw. Es ist auch das, was den Erfolg des Unternehmens und seiner Berater ausmacht: das Netzwerk großartiger Leute. Natürlich musst du das auch eigenständig ausbauen und pflegen. Ohne deine Verbindungen bist du besonders in Spitzenpositionen sehr bald allein und hast irgendwann verloren. — Oder es kommt eine Frau, die deinen Job einfach besser kann. (lacht)

CM: Wie hast du dein Netzwerk aufgebaut

MS: Meine Mutter sagt, ich hätte wohl schon immer den Raum eingenommen. Beispielsweise in der KiTa: Dort habe ich immer Bonbons verteilt und dann die Kinder gefragt, ob die mit mir befreundet sein möchten. Allerdings ging es mir nicht um Bestechung. (lacht) Ich mochte es schon immer, anderen eine Freude zu machen. — Ich glaube ernsthaft daran, dass sich Glück vergrößert, wenn man es teilt. Ich mag es, Menschen um mich zu haben. Ich finde es zudem sehr spannend, wenn Menschen erfolgreich sind und ich will wissen, wie sie das gemacht haben. Und: mein Netzwerk besteht aus Menschen, die ich mag.

CM: Bei dir klingt das so einfach. Ist es denn so simpel, das Netzwerken oder auch die Selbständigkeit zu erlernen? Du arbeitest ja schon länger im Finanzbereich und hast gelernt, wie die Themen Finanzen, Versicherungen und Betriebswirtschaft an sich funktionieren. Wie kann man sich denn als „normale“ Frau hierbei entwickeln oder die eigene Selbständigkeit und das Netzwerk vorantreiben?

MS: Das kann man alles lernen. Weil du es ansprichst: Bei großen und auch bei vielen StartUp-Unternehmen der Versicherungs- und Finanzbranche bekommst du als Berufseinsteiger viele Hilfestellungen. Allerdings muss das gar nicht so weit gehen. Als Mandant kannst du beispielsweise andere Kunden werben, sofern du mit deinem Berater zufrieden bist. Hierbei gibt es Vereinbarungsmöglichkeiten, kleine Provisionen zu erhalten. Das ist im Übrigen auch das Grundprinzip: Du empfiehlst etwas oder jemanden, wovon bzw. von dem du meinst, es oder er sei wirklich gut.

Ich habe viele Kundinnen, die irgendwann einmal vor der Frage standen: Wie gestalte ich meine Finanzen und meine Versicherungen? Daraus wurde irgendwann eine ganzheitliche Frage: Wie kann ich mich selbst verwirklichen? Dabei können wir uns gegenseitig unterstützen — und das in unglaublich vielen Bereichen.

CM: Das klingt echt toll; aber wie kommt man denn an gewisse Kontakte?

MS: Ein Beispiel: Man geht zu entsprechenden Parties wie Afterwork-Veranstaltungen. Ein guter Weg ist es, ernstgemeinte Komplimente zu machen. Im Kritisieren sind wir Deutschen ja wirklich groß. Aber mal hinzugehen und jemandem was kleines, nettes zu sagen, das dessen Tag positiv verändern kann, hilft ungemein.

CM: Gibts was, das du anderen Frauen raten würdest oder rätst, sobald diese sich entscheiden, in die Selbständigkeit zu gehen?

MS: Du musst bereit sein, den einen Schritt mehr zu gehen. Gerade in der Anfangszeit ist es wichtig, dass du nicht nur nine-to-five arbeitest. Du brauchst außerdem Leute, die verstehen, dass du gerade einen besonderen Fokus hast. Es ist auch nicht jede zur Unternehmerin oder zur Selbständigkeit geboren. Doch auch dafür gibt es Optionen. Viele bleiben beispielsweise in ihrem Kernjob und gehen nebenher einer gesonderten Tätigkeit nach, die ihnen gleichzeitig Spaß macht und etwas Geld einbringt.

Und ganz ehrlich: Wir Frauen managen so unfassbar viel. Aufgrund der Rollenbilder, die immer noch aktuell sind, rutschen wir gern in unangenehme Situationen. Klassiker ist zum Beispiel die Aufteilung der Rollen in „Haushalt und Job“. Hierbei übernimmt die Frau den Posten der Hauswirtschaft und der Erziehung. Der Mann kümmert sich um alles, was mit Geld zu tun hat, OBWOHL Finanzen und Versicherungen ein Thema der Hauswirtschaft und somit der Frau sein müssten. Aber die Geschichte lehrt, dass die Kompetenzen rund ums Geld Männern zugeschrieben werden. So entstehen Abhängigkeiten, die gar nicht notwendig sind. Schlussendlich sollte jeder, also wirklich jede*r wissen, wie viel er einnimmt, ausgibt und was mit dem übrigen Geld passiert. — Und wer das nicht weiß, kann ja mich fragen (lacht).

CM: Madeleine, ich danke dir sehr für deine Offenheit. Lass uns das gern noch fortsetzen.

MS: Ich danke DIR! Immerhin hat man nicht häufig die Möglichkeit, mal mit einer Frau aus der Politik so intensiv zu reden