Meine Rede im Rahmen der frauenpolitischen Debatte

Claudia Martin - Rede01

Die nachfolgende Rede hielt ich am Mittwoch, den 11. März 2020 im Rahmen der frauenpolitischen Debatte im Landtag von Baden-Württemberg

Die Gleichberechtigung zwischen Frau und Mann ist eine Grundvoraussetzung für das moderne, demokratische Gemeinwesen und darüber hinaus ein Verfassungsauftrag unseres Grundgesetzes.

Heute scheint es selbstverständlich, dass Frauen Führungspositionen in Wirtschaft, Staat und Gesellschaft bekleiden. Dennoch ist eine Chancengleichheit zwischen den Geschlechtern in verschiedenen Lebens- und Arbeitsbereichen auch im Jahr 2020 keine Selbstverständlichkeit.

Der Weltfrauentags hat uns am vergangenen Sonntag zum 107. Mal daran erinnert, dass die Politik mehr als nur darüber nachdenken sollte, wie die Selbstverwirklichungschancen der Frauen in Deutschland zu stabilisieren und zu verbessern sind.

Die Grundlage für ein chancengerechtes Leben wird im Elternhaus gelegt und in KiTas ausgebaut. Mädchen und Jungen, die im Verständnis gleichberechtigter Geschlechter aufwachsen, können sich unabhängiger von traditionellen Geschlechterrollen entfalten. Das beginnt bereits damit, dass Bagger nicht nur für Jungen und Puppen nicht nur für Mädchen gedacht sein sollten. Stattdessen, und besonders Pädagogen für frühkindliche Erziehung und Erzieherinnen sprechen sich seit Jahren dafür aus, sollten wir an Bildungsplänen arbeiten, die eine frühzeitige Loslösung überholter Rollenbilder ermöglichen. (rhetorische Pause) Allerdings ohne traditionelle Aspekte aus den Augen zu verlieren.

Auch ein differenziertes Schulsystem bietet einen günstigen Rahmen, junge Menschen entsprechend ihrer Interessen und Fähigkeiten zu fördern. Durch das  Belegen von Wahlfächern und Schwerpunkten entscheiden Schülerinnen und Schüler selbst, welche Kompetenzen sie vertiefen möchten. Dass ein durchlässiges Bildungssystem berufliche Geschlechterstereotypen aufbrechen kann, zeigt sich nicht zuletzt auch in der Sekundarstufe II. Seit 1997 hat sich die Anzahl der Schülerinnen an technischen Gymnasien vervielfacht. Eine großartige(!) Entwicklung!

Damit der Gleichstellungsauftrag unseres Grundgesetzes im beruflichen ankommt, bedarf es fairer Verwirklichungschancen für alle Frauen und Männer. Insbesondere im Laufe ihres Erwerbslebens sehen sich Frauen allerdings weiterhin mit zahlreichen geschlechterspezifischen Benachteiligungen konfrontiert, denen männliche Kollegen nicht oder weit seltener ausgesetzt sind.

Das betrifft zunächst einmal das Thema Lohngerechtigkeit: 2018 bezifferte das Statistische Landesamt die Entgeltlücke (Gender Pay Gap) zwischen Männern und Frauen mit 21,2 Prozent der Bruttolöhne. Dieser Wert lässt sich insbesondere auf die höheren Teilzeitquoten, widrigere Arbeitsmarktbedingungen sowie die häufigere Beschäftigung in Branchen mit niedrigem Lohnniveau zurückführen.

Große Sorgen bereitet uns zudem der „bereinigte Gender Pay Gap“ – also die Lohndifferenz bei gleicher Tätigkeit – bei bundesweit etwa 6 Prozent. Dass Frauen trotz gleicher Qualifikation und Arbeitsleistung messbar weniger verdienen, ist mit unseren Vorstellungen einer chancengerechten sozialen Marktwirtschaft nicht vereinbar.

Die statistisch häufigere Unterbrechung weiblicher Erwerbsbiographien hängt stark damit zusammen, dass Frauen in der Regel einen Großteil der Pflege- und Erziehungsarbeit in der Familie leisten. Das führt zu einer Unausgeglichenheit im Einkommen von Frauen und Männern, die sich auch im Rentenalter fortsetzt. Wir sind der Überzeugung, dass Erziehung und Pflege von Angehörigen keine Wege in die Altersarmut sein dürfen!

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist für uns Christdemokraten ein Kernanliegen. Ein erfülltes Familien- und ambitioniertes Berufsleben beider Elternteile darf keinen Widerspruch darstellen. Mit Homeoffice- oder Telearbeitslösungen ermöglicht das digitale Zeitalter seit mehreren Jahren die Schaffung flexibler Arbeitszeitmodelle, die sich positiv auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf auswirken können.

Auch wenn diese Optionen nicht in allen Branchen möglich sind, sehen wir hier ein großes Potential. Wir wollen, dass Frauen künftig stärker von den Möglichkeiten digitaler Arbeit profitieren können. Mittels webbasierter Arbeitsflächen können junge Mütter bei Bedarf auch im Laufe ihrer Babypause beruflich aktiv bleiben. Daher sollte die Unterstützung der Unternehmen zur Umsetzung von Digitalisierungsstrategien nicht nur aus wirtschaftlichen, sondern auch aus sozialen Gründen bedacht werden.

Noch bevor Mütter aus dem Erziehungsurlaub zurückkehren, stellen sich Fragen nach der Wiedereingliederung. Wie können sie sich optimal vorbereiten? Worauf ist zu achten? ⎼ Diese und andere Fragen beantworten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei den 14 Kontaktstellen von „Frau und Beruf“.

Als wichtiger Motor der beruflichen Frauenförderung wollen wir das Netzwerk der Kontaktstellen weiter ausbauen. Nachbesserungsbedarf sehen wir hier insbesondere im ländlichen Raum, da hier bislang keine flächendeckende Beratung gewährleistet werden kann.

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Wirtschaftsgeschichte unseres Landes ist eng mit mutigen Pionierinnen wie Bertha Benz oder Margarete Steiff verbunden. Dieses Erbe ist uns gleichermaßen Pflicht und Ansporn. Wir wünschen uns, dass neben der Vergangenheit auch die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Baden-Württemberg von starken Frauen geschrieben wird. Dass wir uns auf einem entsprechenden Weg befinden, zeigt sich mit Jennifer Morgen. Sie wurde 2019 zum Co-CEO von SAP berufen. Der DAX-Konzern ist somit das erste Unternehmen, das eine Frau in dieser Position einsetzt.

Gleichstellungspolitik lebt von starken weiblichen Vorbildern. Als CDU versuchen wir hier mit gutem Beispiel voranzugehen. Nach der ersten Bundeskanzlerin und der ersten EU-Kommissionspräsidentin wollen wir mit Susanne Eisenmann ab 2021 auch die erste Ministerpräsidentin von Baden-Württemberg stellen.

Leider kommt eine gleichstellungspolitische Debatte auch im Jahr 2020 nicht ohne das Thema Gewalt gegen Frauen aus. Jede vierte Frau erfährt im Laufe ihres Lebens Gewalt durch ihren Ehemann, Partner oder andere Familienmitglieder. Das ist ein Missstand, den wir mit aller Kraft bekämpfen müssen. Neben der wichtigen Präventions- und Öffentlichkeitsarbeit bedarf es hierbei vor allem einer verlässlichen Infrastruktur aus Frauenhäusern und ambulanten Beratungsstellen.

Auch außerhalb der eigenen vier Wände sind Frauen verschiedenen Bedrohungen ausgesetzt. Allerdings gibt es auch hier Fortschritte. Neben der Intensivierung im Kampf gegen Sexuelle Gewalt und Frauenhandel möchte ich gerne das Engagement von Guido Wolf würdigen. Er setzte sich dafür ein, das sogenannte Upskirting – also das Fotografieren unter den Rock – unter Strafe zu stellen. Gleichsam zeigt der Fakt, dass gegen das Fotografien unter einen Damenrock überhaupt politisch vorgegangen werden muss, wie viel gesellschaftliche Arbeit noch vor uns liegt.

Im Kontext der furchtbaren Anschläge von Halle und Hanau werden wir uns künftig auch stärker mit dem Thema „Incels“ beschäftigen müssen. Hierbei handelt es sich eine Internet-Subkultur zumeist weißer Mäner, die der Ideologie einer hegemonialen Männlichkeit anhängen. Sie propagieren ihre Überlegenheit gegenüber Frauen, ein selbst erdachtes Recht auf Sex sowie Gewalt gegen Frauen.

Dieses Phänomen ist recht neu in Deutschland, hat aber offenbar bei beiden Angriffen eine Rolle gespielt und bedarf daher einer entsprechenden Untersuchung. Diese Subkultur steht im Widerspruch zu unserem Grundgesetz und ist Gift für eine von gegenseitigem Respekt getragene Gesellschaft.

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

jede Fraktion hat ihre eigenen frauenpolitischen Sichtweisen und Prioritäten. Schwerpunkt christdemokratischer Gleichstellungspolitik ist und bleibt der Abbau struktureller Nachteile für Frauen – insbesondere im Laufe ihres Erwerbslebens.

Die Förderung von beruflichem Wiedereinstiegsmanagement, female leadership und die Prävention geschlechterspezifischer Altersarmut spielt für uns eine wichtigere Rolle als Gender-Stern oder positive Diskriminierung.

Wir glauben fest daran, dass man die Situation von Frauen verbessern kann, ohne männliche Kollegen strukturell zu benachteiligen. Positive Diskriminierung führt den Gedanken von Chancengleichheit ad absurdum. Für uns bedeutet Gleichstellung, dass alle Menschen unabhängig ihres Geschlechts die gleichen Möglichkeiten haben, ihre Ziele im Leben zu verwirklichen. Lassen Sie uns hierfür gemeinsam an den richtigen Stellschrauben drehen!

Vielen Dank!