Im Gespräch mit Unternehmerin Miriam Hofer

Miriam Hofer und Claudia Martin

„Frau Martin, ich habe einen Tipp für Sie!“, heißt es vor wenigen Wochen am Telefon. „Sie sollten sich mit Miriam Hofer unterhalten. Sie ist Gründerin einer Event-Agentur — und das in Zeiten von Corona; und eine der ‚starken Frauen‘, mit denen Sie sich gern austauschen. Ich schicke Ihnen die Nummer.“ Eine Aufforderung, der ich sehr gern nachkomme.

Am 02.06.2020 treffen wir einander in entspanntem Kontext und sprechen über Chancen und Probleme junger Frauen im Business-Alltag, persönliche Herausforderungen sowie über Klischees, die mit selbständigen Frauen einhergehen. Aus einer zweistündigen Unterhaltung erwächst beinahe ein Interview, mit einer Unternehmerin, die inspirierend erfrischend ist und zugleich einen klaren Weg verfolgt.

MH: „Hi, ich bin Miri. Schön, dass wir uns kennenlernen. — Ist das Du okay?“

CM: „Sehr gern. Ich bin Claudia; und danke, dass du dir die Zeit nimmst. Momentan ist sicherlich viel los. Wir sind ja über einen gemeinsamen Bekannten zusammengekommen, der mir schon ein wenig über dich verraten hat. Aber, sag mal, was genau umfasst dein Unternehmen?“

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MH: „Hauptberuflich bin ich im Vertrieb für eine Hotelkette unterwegs. So spreche ich mit vielen Menschen, lerne sie und ihre Gedankengänge sowie Wünsche und Probleme kennen. Ein Kernpunkt, der immer wieder thematisiert wird, sind die Bereiche ‚Eventgestaltung‘ und ‚Social Media‘. Im Laufe des letzten Jahres kam ich auf die Idee, beides miteinander zu vereinen.

Klar, momentan ist es durch Corona scheinbar unmöglich, Events zu planen, aber das ist eben ein Punkt, mit dem man klarkommen muss. Für mich ist es sogar ganz praktisch, weil ich durch die Gründung während dieser Krisenzeit gleich austesten kann, was möglich ist und worin Optimierungsbedarf besteht. Das ursprüngliche Agenturkonzept umfasst die Planung und Gestaltung von Firmenevents zur Markenstärkung oder Produktplatzierung. Diese werden über eine speziell angepasste Social Media-Strategie unterstützt.

Derzeit beschränken wir uns auf den Social Media-Bereich, lernen dadurch allerdings auch, worauf es in den kommenden Wochen ankommt, sobald die Eventsaison (wieder) starten darf.

CM: „Und worin bestand oder besteht dein Beweggrund, diesen Weg zu gehen? Immerhin hast du einen Job(?).“

MH: „Ich komme ursprünglich aus der Nähe von München und arbeitete dort in einer Agentur. Private Gründe zogen mich dann nach Dresden und ich ging auf die Suche nach einer ähnlichen Unternehmung, von der ich sage: „Ja, das passt.“ Doch die gab es in dieser Form nicht. Stattdessen fand ich bei meinem jetzigen Arbeitgeber ein Zuhause. Dort bietet man mir die Freiheit, wirklich selbständig zu agieren und meine Zeit frei von fixen Strukturen zu planen. — Aber es ist eben keine Agentur.

(…)

Mir ist wichtig, bereits jetzt an meiner Unabhängigkeit zu arbeiten. Hierbei geht es nicht nur um die Tagesstruktur. Als Frau musst du zusehen, dich finanziell unabhängig zu machen, da die Gesellschaft das Thema ‚Finanzen‘ auch heute noch vornehmlich Männern zuschreibt. Ich kenne viele Frauen, die finanziell von ihren Männern abhängig sind, weil sie sich nie damit befasst haben. Ein eigener Job in einem eigenen Unternehmen ist meines Erachtens ein guter Weg, sich etwas eigenes aufzubauen.

Ich glaube zudem, dass es mir Vorteile verschafft, wenn ich mal Kinder bekommen sollte, unabhängig planen zu können. Ich möchte meinen Beruf nicht stilllegen müssen, nur weil irgendwann etwas unvereinbar scheinen könnte.

CM: „Stößt du damit auf Unverständnis? Immerhin ist dieser Ansatz nicht von überall her zu hören.“

MH: „Ich glaube, dass die Gesellschaft an sich aufgeschlossener wird. Aber es ist noch komisch, wenn eine Frau sagt, sie möchte Karriere machen. Frauen gelten nicht selten als bissig oder gar biestig, wenn sie vorankommen wollen. Sagt das hingegen ein Mann, heißt es: ‚Klar! Was will der auch sonst machen?!’

Mein Partner unterstützt mein Vorhaben, aber sicher ist das nicht bei jeder Frau der Fall, was es ungemein komplizierter werden lässt. An sich macht das Umfeld im Ganzen viel aus: Suchst du dir dieses bewusst aus, kann nichts schiefgehen. In meinem Netzwerk ist es völlig normal, dass Frauen ihren weg gehen und sich in modernen Beziehungen befinden, in denen sich mit den Partnern arrangiert wird. Dadurch habe ich — oder anders: haben wir — die selben Vorteile wie jeder Mann.

CM: „Du sprichst von einer ‚modernen Beziehung‘ und davon, dass man sich arrangieren muss. Was heißt das? Steht diese ‚moderne Beziehung’ deiner Meinung nach im Widerspruch zu einem gängigen oder konservativen Rollenbild?“

MH: „Nein. Nicht zwangsweise. Die Abstimmung untereinander ist immer wichtig, ganz gleich, welche Beziehungsform man wählt oder welche Rollen definiert werden. In meiner Partnerschaft ist das auch zentral: Wir besprechen alles und richten uns miteinander bzw. aufeinander ein. Dadurch ergeben sich auch unsere Rollen in der Beziehung.

Es ist wichtig, sich abzusprechen. Dadurch positioniert man sich als Person in einer Beziehung nach innen und gemeinsam als Paar nach außen. Das hat ja nichts damit zu tun, dass es nicht okay ist, wenn Frauen sagen, sie möchten sich daheim der Familie widmen. Es geht doch darum, sich in einer Partnerschaft nicht konkurrierend zu verhalten oder sich gegenseitig unterzubuttern. Das steht meines Erachtens auch nicht im Widerspruch zu einem klassischen Rollenbild.

CM: „Gibt es etwas, das du Frauen raten würdest?“

MH: „Schwierig. Ich bin recht jung und kann daher natürlich nur über die Dinge sprechen, mit denen ich persönlich Erfahrung gemacht habe. Doch ganz allgemein kann ich sagen, jede Frau soll ihren aktuellen Standpunkt und mögliche Zukunftsperspektiven hinterfragen. Niemand sollte sich einfach einem gesellschaftlichen Standard ausliefern. — ‚Was will ich?‘, ‚Wohin möchte ich gehen?‘, ‚Wie stelle ich mir mein Leben vor?‘ — Wir genießen in diesem Land den Luxus, recht frei zu sein und verhältnismäßig viele Möglichkeiten zu haben. Je nach Ausgangspunkt muss man entsprechend in seine Zukunft investieren.

Es ist naiv zu glauben, dass man eine Karriere geschenkt bekommt wie es naiv ist anzunehmen, dass das Management einer Familie ‚so nebenbei‘ geschieht. Alles ist Arbeit und mit Anstrengung verbunden. Allerdings muss ich mich als Frau nicht mehr oder weniger Anstrengen als ein Mann. Ein typischer Denkfehler ist, dass hübsche Frauen immer für dumm gehalten werden und es Männer einfacher hätten. Das stimmt nicht. Junge Männer müssen sich genauso beweisen und sich hinterfragen. Der Unterschied zwischen ihnen und den Frauen scheint mir ab und an nur zu sein, dass man Frauen eher darauf hinweisen muss, dass sie sich entscheiden dürfen, was sie wollen.

CM: „Wie bist du die Gründung angegangen? Hast du zum Beispiel Unterstützungsprogramme genutzt?“

MH: „Hier hat mir mein Umfeld sehr geholfen. Mein Partner begleitet Firmen bei Gründungen. Dadurch war es einfach. Die möglichen Förderungen habe ich genutzt, um mich weiterzubilden, und entsprechenden Spezialisten Strategien zu erarbeiten. Ein großer Pluspunkt war und ist, dass ich mich nie für meine Entscheidung, ein Unternehmen zu gründen, rechtfertigen musste. Auch die Angst, in Folge der Selbständigkeit in Schwierigkeiten zu geraten, hatte ich nicht.

Mit meinem Arbeitgeber konnte ich bereits zu Beginn alles klären. Wir haben eine sehr gute Absprache getroffen, sodass ich täglich meine Zeit und meine Aufgaben im Hauptjob erfülle und anschließend in den Nebenberuf gehe. Gleichsam ist das der Deal, den ich eingehe: Mein Tag hat dann eben 12 – 14h. Es gibt hier keine Light-Version für Frauen.“

CM: „Das klingt, als gehst du mit einigen Frauen hart ins Gericht. Was ist beispielsweise mit Aspekten wie Belästigung? Die Aussage, dass es Frauen im Business schwerer haben, kommt ja nicht von ungefähr.“

MH: „Einige Berufsfelder gelten nicht zu Unrecht als Männerdomänen und ja, ich kenne das auch, dass manche Männer entweder den Chauvinisten oder Patriarchen raushängen lassen. Mir ist das sowohl in München als auch hier in meinen Tätigkeiten passiert, dass man angemacht, die eigene Autorität untergraben oder man schlichtweg unterschätzt wird. Dann bist du ‚die Marketingfee‘ oder dein Name wird ignoriert und es heißt: ‚Was sagt denn die hübsche Blonde zum Thema?‘

Ich gehe dem zwar mit Sarkasmus entgegen, aber ich positioniere mich auch absolut klar. Das sollte jeder tun, ganz gleich, ob Mann oder Frau. Einerseits kann ich bestätigen, dass klischeehafte Äußerungen in Meetings vorkamen und -kommen. Andererseits gab es auch genügend Termine, in denen einfach alles gut lief.“

CM: „Benachteiligung findet nun aber nicht nur im Rahmen der Kompetenzzuweisung statt. Es bleiben auch andere Faktoren. Beispielsweise übernehmen nach wie vor mehr Frauen den Haushalt und widmen sich verstärkt der Kinderbetreuung. Dadurch wird sehr häufig eine Entscheidung für oder gegen die Karriere erzwungen.“

MH: „Das stimmt, schon. Es gibt viele Punkte, in denen Frauen benachteiligt werden. Aber Männer genauso. Man darf hier nicht einfach sagen: ‚Frauen sind und werden grundlegend benachteiligt.‘ Das stimmt einfach nicht. Natürlich ist es nach wie vor so, dass sich vornehmlich Frauen um Haushalt und Familie kümmern oder in Karrierefragen zurückstecken. Vollzeitmami UND Mega-Karriere: Das ist nur schwierig vereinbar.

Dennoch darf es keine Grundannahme sein, die einen daran hindert, einfach mal ‚zu machen‘. Mir kommt es so vor, als haben Frauen größere Hemmschwellen, Risiken einzugehen. Vielleicht auch, weil sie vorausschauender denken *zwinkert*. Das ist also nicht schlimm; vielleicht ist es sogar eine Art geheimer Superkraft. Wenn Frauen mit einem Gedanken spielen, sollen sie sich ausprobieren. Das ist immer gut. Sie haben die Expertise und können das.“

Ich danke Miriam Hofer für ein wunderbares Gespräch, die Offenheit und Direktheit, mit der sie die Unternehmenswelt aus Sicht einer jungen Frau wiedergibt. Mir scheint, als sei der Agenturname, „hart&hoeflich“ sehr treffend gewählt: Miriam geht hart mit sich und ihrer Umwelt ins Gericht und verliert dabei doch zu keiner Sekunde Charme und Anstand.